Türkei-Friedenskonferenz in Brüssel (29.-30.06.13)

Anfrage von Yeni Özgür Politika an die GEA bezüglich der Türkei-Friedenskonferenz in Brüssel (29.-30.06.13)

In diesen Tagen erhielt die Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen (GEA) eine Anfrage zu seinen Zielen und Einschätzungen für die Türkei-Friedenskonferenz in Brüssel, die vom 29.-30.06.13 stattfinden wird. In dieser Anfrage wurden 3 zentrale Fragen gestellt. Der Beitrag wird jetzt in diesen Tagen in türkischer Sprache erscheinen. Der Vorsitzende der GEA, PD Dr. Sefik Tagay, hat diese interessanten Fragen wie folgt beantwortet und an Özgür Politika weitergeleitet. Hier sind schon einmal die Antworten auf diese 3 Fragen in deutscher Sprache:

 

1. Warum nimmt Ihr an der Konferenz teil und was sind Eure Ziele für die Konferenz?

Für die Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen (GEA) ist es von größter Wichtigkeit, dass wir von Anfang in diesem sehr wichtigen Demokratie- und Friedensprozess in der Türkei beteiligt sind und uns aktiv für die Rechte der Eziden in der Türkei einsetzen. Am Beispiel des Irak sehen wir, dass die Eziden sowohl in der Autonomen Bundesregion Kurdistan als auch in der Republik Irak so gut wie keine Minderheitenrechte genießen, obwohl sie einen sehr großen Anteil an der Gesamtbevölkerung einnehmen. Im Kurdischen Regionalparlament (Hewler) sitzt nur ein einziger ezidischer Abgeordneter von 111 Abgeordneten. In der Autonomen Bundesregion Kurdistan liegt der Anteil der Eziden bei rund 15%, jedoch sind die Eziden oftmals ohne jeden Schutz. Auf der Konferenz in Brüssel (vom 29.-30.06.13) möchten wir als GEA mit unseren Forderungen und Zielen gesehen und berücksichtigt werden. Eziden in der Türkei waren immer einer doppelten Verfolgung ausgesetzt, zum einen weil sie Kurden sind und zum anderen wegen ihrer ezidischen Religion. Es ist uns sehr wichtig, dass alle kurdischen Parteien, Organisationen, religiöse Gemeinschaften, Vereine und Gemeinden sich auf gleicher Augenhöhe mit Respekt und Toleranz begegnen. So können wir in einem partnerschaftlichen Dialog, die vielen Herausforderungen unserer Zeit in diesem Demokratieprozess konstruktiv herangehen und friedliche Lösungen finden.

 

 2. Welche Einflüsse könnte diese Konferenz zukünftig auf die Veränderungen im Nahen Osten haben?

Im gesamten nahen Osten, in Mesopotamien, also dort, wo die Kurden leben, geht es um die zentrale Frage, wie Frieden und Freiheit unter den vielen Völkern und Religionsgemeinschaften erfolgreich gelingen kann. Die Eziden sind als eine der ältesten Religionen dieser Welt ein wichtiger Teil dieser Gemeinschaften und müssen in diesem Friedensprozess gleichwertig berücksichtigt und gewürdigt werden. Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität unter allen beteiligten Völkern und Religionsgemeinschaften sind notwendig, damit im nahen Osten Stabilität und Frieden auf Dauer herrschen.

 

3. Welche Erwartungen und Hoffnungen habt Ihr als Akademiker der Eziden an diese Konferenz?

Wir haben die große Hoffnung, dass Eziden in der Türkei in Frieden und Freiheit mit ihren muslimischen Nachbarn mit größter Wertschätzung und Toleranz zusammenleben. Wir erhoffen uns einen Versöhnungsprozess zwischen muslimischen Kurden und ezidischen Kurden. Die Geschichte der Unterdrückung muss anerkannt und die Geschichtsbücher neu geschrieben werden. Die Eziden sollen endlich in Freiheit und ohne Angst ihre Religion ausleben können. Eine Landkarte der ezidischen Dörfer in den letzten 150 Jahren ist zu erstellen. Das zu Unrecht weggenommene Land muss ihren Besitzern zurückgegeben werden. Unter Beteiligung aller ezidischen Institutionen ist ein Konzept für die Wiederansiedlung der Eziden zu erstellen. Für die Umsetzung müssen ausreichend Mittel zu Verfügung gestellt werden. Ezidische Akademiker, Künstler, Handwerker und Unternehmer sollen den Wiederaufbau unterstützen.

Wir haben die große Hoffnung, dass das Ezidentum genauso wie der Islam oder das Christentum in der türkischen Verfassung fest verankert ist und als öffentliche Körperschaft anerkannt wird. Die Eziden sind in allen wichtigen Gremien zu beteiligen. Wir erhoffen uns von den kurdischen Parteien, dass eine Quote für ezidische Abgeordnete im Parlament eingeführt wird.

Besonders wichtig ist uns, dass an den türkischen Universitäten verstärkt Forschung über das Ezidentum gemacht wird. Genauso wie der Islam oder das Christentum, erhoffen wir uns an türkischen Universitäten die Lehre vom Ezidentum.

 

PD Dr. Sefik Tagay

Vorsitzender Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen (GEA)

Essen, den 13.06.13